„Warum sollte man den Künstler
besser behandeln als den lieben Gott?“
Ein Koffer voller kumpen für die Albertina
- Interview mit Direktor Klaus Albrecht Schröder
(Teile des in der Folge vollständig
abgedruckten Interviews sind auf der kumpaninnen-Publikation Institut No. 4
abgedruckt.)
Es begann mit einem Brief: Ende 2011 bekam eine der vier
kumpaninnen ein Schreiben von Klaus Albrecht Schröder. In dem persönlich unterfertigten
Spendenaufruf schrieb der Direktor der Albertina, dass das Museum angesichts der
Wirtschaftskrise dringend auf Hilfe angewiesen sei. Schröders
Eingangsstatement: „Auch Sie kennen die gute Regel des Anstandes: Man kann über
alles sprechen, aber niemals über Geld. Ich möchte dazu anmerken: wenn man es
sich leisten kann.“ Schröder appellierte weiter: „Deshalb auch meine Bitte an
Sie: Unterstützen Sie die Albertina mit einer Spende. Ganz gleich, wie
großzügig Sie sind: Wichtig ist, dass Sie mithelfen.“
Angesichts der prekären Lage der Albertina beschlossen die
kumpaninnen, dem Museum helfend unter die Arme zu greifen. Reich an Ressourcen,
die wir uns leisten konnten zu teilen, entwickelten wir im Frühjahr und Sommer
2012 die kumpe – eine eigene Währung, die speziell auf die Arbeitsbedingungen
innerhalb des Kunstbetriebes zugeschnitten war. Am 4. Oktober 2012 übergaben
die kumpaninnen Klaus Albrecht Schröder einen Koffer, prall gefüllt mit kumpen
im Wert von 284.176602,1 kumpen. Er hat sich sehr gefreut.
In einem begleitenden Interview zur Spendenübergabe
befragten die kumpaninnen Klaus Albrecht Schröder zum Thema „Kunst & Geld“.
Ausstellungshonorare und Tantiemen für Künstler_Innen beim Wieder- verkauf
eines Werkes waren ebenso Gegenstand des Gespräches wie Klaus Albrecht
Schröders Beziehung zu Offspaces für junge Kunst.
die kumpaninnen: Was war
das erste Kunstwerk, das Sie für sich privat gekauft haben? Wann war das?
Klaus Albrecht Schröder: Das besitze ich heute noch. Ich war nicht ganz 17 Jahre
alt und habe beim Dorotheum in Linz im Freiverkauf um 5.300 Schilling eine
Landschaft gekauft, die „niederländische Landschaft aus dem 17. Jhdt.“
geheißen hat. Sie war wahrscheinlich aus dem 18.
Jhdt. und ist immer noch anonym, ich hab’ mich nie näher damit beschäftigt. Es
ist ein gutes Bild, aber ich geb’s nicht her, weil es eben das erste Kunstwerk
war, das ich gekauft habe. Es ist völlig atypisch – ich habe nachher nie wieder
solche Landschaften erworben. Ich bin nicht der Typ, der den verregneten Urlaub
durch den Blick auf „Essig und Öl-Landschaften“ kompensiert, aber damals hat
mir das sehr sehr gut gefallen.
die kumpaninnen: Eine
Frage zu den Ankäufen der Abertina: Wie kommen die Preise zustande? Schlägt
normalerweise der Künstler oder die Künstlerin den Preis vor, oder tut das die
Albertina? Wie groß ist der Verhandlungsspielraum?
Klaus Albrecht Schröder: Darf ich das einmal ganz kurz von der Preisfrage völlig
wegnehmen – da geht’s um eine Ankaufspolitik, die sehr stark mit der
Erwerbungspolitik zu tun hat. Nur ein geringer Teil unserer Erwerbungen sind
Ankäufe. Der größte Teil unserer Erwerbungen sind Schenkungen. Und wenn wir
jetzt von Schenkungen sprechen - von
Georg Baselitz und Anselm Kiefer, von William Kentridge und Robert Longo oder
von Sean Scully - so kosten diese Werke zwischen 100.000 und 1 Mio. Euro.
Wir könnten das überhaupt nicht erwerben.
In Tat und Wahrheit sind die regulären Ankaufsbudgets der Albertina heute
weitestgehend beschränkt auf die Galerienförderung - 37.000 Euro - die wir noch
einmal verdoppeln. Bei diesen Werken, die wir ankaufen - insbesondere von
österreichischen Künstlerinnen und Künstlern - verhandeln wir, soweit ich weiß,
gar nicht. Das fände ich auch unanständig. Wir haben fast kein Geld, die
Künstler und Künstlerinnen haben noch viel weniger Geld. Da bringen wir
niemanden in die Bredouille. Was ist die Wahrheit: Wenn wir etwas erwerben,
kommt es schon vor, dass sich jemand sehr freut und uns noch zusätzlich etwas
schenkt. Aber oft ist das auch nicht der Fall. Egal, ob das die Lienbacher ist
oder die Krystufek, ob es die Michi Spiegel ist, die alle haben - glaube ich
- nichts geschenkt. Ich habe das auch
nicht erwartet und wir haben auch nicht danach gefragt. Wenn wir vom Erwin Wurm
etwas erwerben, dann erwarten wir, dass der auch schenkt. Aber der hat ja auch.
die kumpaninnen: Das heißt, die
Künstler und Künstlerinnen schlagen selbst den Preis vor?
Klaus Albrecht Schröder: Der Preis ist ein transparenter Preis und muss bezahlt
werden.
die kumpaninnen: Finden Sie,
dass beim Wiederverkauf von Werken Tantiemen an die Künstlerinnen und Künstler
bezahlt werden sollen?
Klaus Albrecht
Schröder: Diese berühmte 10 Prozent-Abgabe? Nein,
ich bin dagegen. Aus dem ganz einfachen Grund, weil wir wissen, dass über 80
Pozent dieser Tantiemen an weniger als 10 Urheberrechtsfamilien gehen - also
Picasso, Miró, ... (Anmerkung 1).
die kumpaninnen: Angenommen,
der Künstler oder die Künstlerin lebt noch?
Klaus Albrecht Schröder: Das Geld geht ja trotzdem nicht an ihn. Es wird ja von
einer Verwertungsgesellschaft eingehoben dann nach einem Schlüssel verteilt.
Das heißt, wenn die Zenita Komad einem Sammler etwas verkauft und der verkauft
es wieder, so gehen trotzdem 80 Prozent des Geldes an die großen
Verwertungsgesellschaften. Die brauchen es nun weiß Gott nicht. Die
Picasso-Familie, die Max Ernst-Familie, die Miró-Familie braucht das nicht. Ich
halte davon nicht sehr viel, hab aber viel mit entsprechenden Künstlern darüber
geredet. Wie denkt der Gerhard Richter darüber? Der wäre ein besonderer
Nutznießer, weil der wirklich viele Arbeiten um wenig verkauft hat - in den
60er und 70er Jahren verkaufen musste - die heute im zweistelligen
Millionenbereich wiederverkauft werden. Ärgert er sich darüber eigentlich?
Überhaupt nicht. Das einzige, was ihn ärgert, ist dieser völlig irrationale
Preis, der ärgert ihn. Reflexhaft sagt er, sobald ein Preis von über 10 Mio.
Euro für eines seiner Werke festgestellt wird, dass das eines der schlechtesten
Bilder war, die er je gemacht hat, weil diese Preise unsere Unschuld der
Wahrnehmung korrumpieren.
die kumpaninnen: Aber
angenommen, es gäbe wirklich ein System, in dem das Geld direkt an die
Künstlerinnen und Künstler fließt: Würden Sie so eine Lösung befürworten?
Klaus Albrecht Schröder: Nein.
die kumpaninnen: Aus
welchem Grund?
Klaus Albrecht Schröder: (überlegt lange) Weil ich jetzt nicht weiß, warum wir
hier den Künstler – ich habe darüber nicht länger nachgedacht – anders
behandeln sollen, als den Architekten oder den Baumeister oder den lieben Gott,
wenn es ihn denn gäbe. Aber wenn ich in den 60er Jahren ein Haus gekauft habe
und ich verkaufe es heute, so kommt dann hoffentlich nicht - nur weil der Preis
des Grundstückes gestiegen ist - der Architekt daher und sagt: „Das Haus hab
ich damals um 50.000 Schilling errichtet, jetzt wird es um 500.000 Euro
verkauft. Ich will 10 Prozent mehr Honorar“. Warum? Das Haus ist jetzt mein
Eigentum geworden. Warum sollen hier andere Gesetze gelten? Umgekehrt gefragt,
wenn ich jetzt weniger bekomme, als ich damals bezahlt habe, gibt mir dann der
Künstler 10 Prozent? Wie oft erlebe ich, dass das Werk nicht an Wert gewonnen,
sondern verloren hat? Bekomme ich dann von all diesen Künstlern 10 Prozent? Und
bin ich eigentlich ein geschickter Kaufmann, wenn ich möglichst viel
überbezahlt erworben habe, dann mit Verlust verkaufe, aber inflationsbereinigt
bereichert werde durch die Künstler? Nein, das sind alberne administrative
Ideen.
die kumpaninnen: Wie
recherchieren Ihre Kuratorinnen und Kuratoren, um Vorschläge für die Ankäufe zu
machen? Gibt es eine fixe Zusammenarbeit mit Galerien und Institutionen?
Klaus Albrecht Schröder: Das Wichtigste ist einmal: Wir bekommen viele Angebote
und die spielen eine ganz geringe Rolle. Ich lege Wert darauf, dass unsere
Ausstellungen, unsere Ankäufe, unsere strategischen Entscheidungen aus dem Haus
heraus entwickelt werden und nicht vom Zufall abhängen, von dem was gerade
hereingeschneit kommt. Das hat’s früher gegeben: Dreißig haben etwas angeboten,
irgendetwas nimmt man halt dann. Ich hoffe - und ich gehe auch davon aus - dass
unsere Kuratoren für zeitgenössische Kunst und für das 20. Jhdt.
so gut am Markt informiert sind, dass sie wissen, was wir brauchen. Und was brauchen wir? Was einen notwendigen Ort in der
Albertina haben sollte. Die Albertina ist keine nationale Sammlung, sie ist
eine internationale Sammlung. Wenn unsere Sammlung für Dürer und Michelangelo,
für Rembrandt, Picasso, Fragonard, Boucher, Delacroix und Degas berühmt ist,
dann muss das auch in der zeitgenössischen Kunst gelten. Dennoch habe ich diese
Ausnahme gemacht – und das ist auch nicht schlecht – dass ich in der
unmittelbaren zeitgenössischen Kunst nicht budgetär, aber numerisch einen
Überhang an österreichischer Kunst habe. Generell sind wir keine
österreichische Kunstsammlung, sondern eine internationale Kunstsammlung. Da
man jetzt global kaufen muss – von Südafrika über Indien und China, Japan bis
Nordamerika und alle europäischen Länder durch – und das nicht kann, ist es mir
wichtig, dass wir uns beschränken und ganz klare Sammlungsschwerpunkte setzen.
Kein enzyklopädischer Anspruch kann mehr diese lexikalische Vollständigkeit
erfüllen. Ein großer Tanker ändert nur langsam seine Richtung. Das ist auch gut
so. Wenn eine Direktion 15 bis 25 Jahre dauert, so soll man nach 25 Jahren
diese Direktion merken. Der nächste Direktor wird andere Schwerpunkte setzen.
Ich kaufe daher sehr dezidiert und absichtlich über Jahre immer wieder
dieselben Künstler um sie zu vertiefen, damit sie wirklich da sind. Weil: Bei 1
Mio. Kunstwerken wären zwei Blätter, die wir von einem Künstler im Jahr 2000
kaufen, verloren, wenn wir erst 2070 wieder etwas von ihm kaufen.
die kumpaninnen: Recherchieren
Ihre Kuratorinnen und Kuratoren mit dem Schwerpunkt Wien oder schauen sie sich
auch dezidiert in anderen Bundesländer-Hauptstädten um?
Klaus Albrecht Schröder: Die müssen sich laufend überall umsehen.
die kumpaninnen: Sie
sind also in ganz Österreich unterwegs?
Klaus Albrecht Schröder: Gar nicht nur physisch. Es gibt heute eine Publikations-
und Informationsdichte. Es gibt so viele Netzwerke, dass sie einen hoffentlich
gültigen Überblick haben. Dennoch wird es demnächst eine Initiative in der
Albertina geben, bei der wir uns auf die Zeichnung heute konzentrieren, die ja
seit der Expansion der Kunst der 60er Jahre auf Tattoos, auf Walldrawings, auf
gespannte Schnüre, auf überzeichnete Fotografien ausgeweitet worden ist. Wir
werden diese Schwerpunkte alle zwei oder drei Jahre auch untersuchen. Weltweit.
die kumpaninnen: Um gleich beim
Schwerpunkt der Albertina zu bleiben: Dieser liegt ja auf grafischen und
fotografischen Arbeiten; Arbeiten auf Papier...
Klaus Albrecht Schröder: ... dennoch kaufen wir quantitativ, was das Geld angeht,
am meisten für die Gemäldesammlung.
die kumpaninnen: Das bedeutet,
der Schwerpunkt auf Grafik, Fotografie und Zeichnung ist nicht zwingend?
Klaus Albrecht Schröder: Das liegt in der Natur der Sache. Wenn wir ein Gemälde
von Ernst Ludwig Kirchner kaufen, dann kostet das halt relativ viele Millionen
Euro. Das können wir natürlich aus unserem Ankaufsbudget überhaupt nicht
kaufen. Da gibt es eine Stiftung, die
zweckgewidmet nur dafür kauft. Sie nimmt auch niemandem Geld weg, aber
quantitativ investieren wir pro Jahr wahrscheinlich im ein-, zweistelligen
Millionenbereich in die Malerei, weil es diese große Stiftung gibt. Wir konnten
auch einige Jahre lang siebenstellig in die Fotografie investieren, weil wir
zweckgewidmet eine Million Euro bekommen haben für Ankauf an Fotografie. Das
hat uns in der grafischen Sammlung überhaupt nichts geholfen. Wenn man soviel
Geld hat, ist die Frage „Wie sucht ein Kurator“, sehr viel relevanter, als wenn
er nichts hat. Bei dieser Summe haben wir einen internationalen Beirat gemacht,
damit wir auch wirklich einen Überblick haben über das, was in Tschechien, in
Polen, in der Slowakei, in Berlin passiert. Wenn man 37.000 Euro Galerie-Förderungs-Mittel
vergibt, ist die Qual der Wahl überschaubar.
die kumpaninnen: In genau einem
Jahr eröffnen Sie die Damian Hirst-Ausstellung.
Klaus Albrecht Schröder: Nein, die haben wir vor genau einer Woche abgesagt.
die kumpaninnen: Auf der
Homepage steht sie aber noch.
Klaus Albrecht Schröder: Hoffentlich heute nicht mehr.
die kumpaninnen: Gestern
war es zumindest noch so.
Klaus Albrecht Schröder: Wirklich? Dann muss ich sofort dafür sorgen...
die kumpaninnen: Im
„Falter“ von vor einer Woche ist darüber berichtet worden.
Klaus Albrecht Schröder: Wirklich? Und, was haben die geschrieben?
die kumpaninnen: Es ist
darum gegangen, dass zeitgenössische Kunst in den alten Museen momentan en
vogue ist und auch stark gefördert wird. Sie wurden auch mit der Aussage
zitiert, dass der Druck der Gegenwart auf die Museen relativ stark ist.
Klaus Albrecht Schröder: Gar nicht auf die Museen, auf die Zeit. Insgesamt ist die
Frage der Relevanz der Gegenwart zum Maßstab für alte Kunst geworden. Das hat
sich im Vergleich zu vor 20, 30, 40 Jahren diametral geändert. Da wurde die
Gegenwartskunst unter dem Blickwinkel der Alten Meister gesehen. Wie hält sie
einem Michelangelo oder einem Picasso stand? Man hat die Gegenwart vor dem
Maßstab der Vergangenheit gesehen. Heute sehen wir die Vergangenheit vor dem
Maßstab der Gegenwartskunst. Da hat sich was verschoben. Die Albertina betrifft
das natürlich in Tat und Wahrheit gar nicht. Die Albertina hat immer schon
primär zeitgenössische Kunst gesammelt und primär zeitgenössische Kunst
ausgestellt. Erst unter meiner Direktion haben auch die großen Retrospektiven
zu den Kernbeständen der Sammlung wie Dürer, Michelangelo, Raffael, Rubens,
Rembrandt, Schiele, Rudolf von Alt, Picasso, Van Gogh stattgefunden. Aber
früher hat die Albertina immer in erster Linie zeitgenössische Kunst gezeigt.
Aber dass Museen wie der Louvre, die National Gallery und das Kunsthistorische
Museum zeitgenössische Kunst zeigen, ist neu und kommt von diesem Druck, der da
entsteht. Ist das gut? Ich glaube, es ist unvermeidbar. Es wird nur demnächst
entschieden werden müssen, ob diese Museen dann tatsächlich auch die
Fachkompetenz im eigenen Haus aufbauen oder nicht. Das tun sie jetzt nicht.
Generell hielt ich es immer für gut, dass die Aktivitäten eines Hauses
weitgehend aus der Idee der Sammlung heraus – nicht nur mit dem
Sammlungsmaterial – entwickelt werden.
die kumpaninnen: Noch
eine hypothetische Frage zu Damien Hirst: Angenommen, Damien Hirst, der ja
Arbeiten macht, die jetzt nicht unbedingt auf der Sammlungslinie der Albertina
liegen, würde Ihnen eine Schenkung anbieten, zum Beispiel den eingelegten Hai.
Würde die Albertina dann ablehnen, weil die Arbeit nicht zur Idee der Sammlung
passt?
Klaus Albrecht Schröder: Sie meinen, weil wir keine Einmachgläser in unserer
Sammlung haben? Wir haben drei Arbeiten von Damien Hirst: Zwei große
Scheibengemälde und eine große Vitrine „Self-portrait of the Artist as a
Pharmacist“. Das gehört natürlich zu unserer zeitgenössischen Kunstsammlung.
Sonst würden der Kiefer, der Katz oder der Rainer, die Lassnig oder die
Staubvitrine von Erwin Wurm auch nicht dazugehören.
die kumpaninnen: Sie würden den
Hai also nehmen.
Klaus Albrecht Schröder: Ja, selbstverständlich. Nicht wir haben die
Definitionsmacht was Kunst ist und was nicht – sondern der Künstler hat sie.
Wenn wir immer noch glauben, eine Zeichnung ist das, was auf einem Papier
abgerieben wird, dann haben wir einen restriktiven Kunstbegriff.
die kumpaninnen: Gehen Sie
persönlich regelmäßig in Offspaces für junge Kunst und in welchem Offspace
waren Sie zuletzt?
Klaus Albrecht Schröder: Nein.
die kumpaninnen: Nein?
Klaus Albrecht Schröder: Nein.
die kumpaninnen: Keine Zeit oder kein Interesse?
Klaus Albrecht Schröder: Naja, in Wahrheit habe ich wirklich wenig Zeit. Zum
Beispiel heute. (Anm: Zeigt auf seinen
dichten Terminplan für den Tag des Interviews) Und ich reise sehr sehr
viel. Ich bin, glaube ich, in den nächsten zwei Monaten fünf oder sechs Tage in
Wien.
Die Sekretärin unterbricht das Interview um Herrn
Schröder an den nächsten Termin zu erinnern.
Klaus Albrecht Schröder: Und daher konzentriere ich mich sehr. Ja!?
die kumpaninnen: Das ist
klar.
Klaus Albrecht Schröder: Ich gebe auch offen zu: Ich halte sehr viel von der
Arbeitsteilung, die eine sehr informelle ist, aber ganz gut funktioniert. Es
gibt Vorstadt-Galerien, und dann wächst ein Künstler/eine Künstlerin in den
ersten Bezirk hinein. Und irgendwann wachsen sie von dort in die Secession und
irgendwann in die Kunsthalle und irgendwann ins MUMOK und irgendwann in die
Albertina. Das ist ein Selektionsprozess, der gar nicht schlecht ist. Die
Albertina ist ganz sicher kein Trend-Scout. Obwohl ich gerade bewusst mit Elsy
Lahner eine Kuratorin für die zeitgenössische Kunst nach 1970/80 aufgenommen
habe, die im „Weißen Haus“ tätig war und dort eine Trend-Scout-Funktion hatte.
Aber ich möchte nicht dabei ertrappt werden, wobei ich meine Vorgänger ertappt
habe: Zu glauben, ich weiß, was jetzt relevant ist. Denn die haben einmal
geglaubt, dass der phantastische Realismus ganz ganz sicher bleibt. Wenn ich
heute einen Mimmo Paladino sehe, ist es mir oft geradezu physisch unangenehm
und peinlich, wie oft wir schon daneben gelegen sind. Also da müssen andere
hin. Es ist meine felsenfeste Überzeugung, dass wir am besten unsere Generation
verstehen. Jetzt bin ich fast 60. Die,
die ungefähr 20 Jahre jünger oder älter sind als ich, die atmen mein Tempo, die
kenne ich. Die sind so langsam wie ich, die denken wie ich. Aber wenn ich
wissen will, was ein 30-Jähriger macht, frage ich doch lieber jemanden, der 30
oder 40 ist. Und daher, last but not least: Wenn ich nach New York fliege, dann
besuche ich wahnsinnig gern den Alex Katz, oder den Christo, oder den Eric
Fischl oder den Richard Serra im Atelier, aber nicht jemanden, den ich gar
nicht kenne. Wenn aber die Elsy Lahner zufälligerweise mit mir in New York wäre
und sagen würde: „Besuchen wir doch diese Künstlerin dort.“ Dann würde ich ihr
absolut vertrauen: “Zu der gehen wir hin. Du weißt ja, wen du mir zumutest.”
die kumpaninnen: Bleiben
wir kurz noch beim Zeitgenössischen: Wie hoch würden Sie den durchschnittlichen
Jahresgewinn zeitgenössischer österreichischer bildender Künstlerinnen und
Künstler einschätzen (Anmerkung 2)?
Klaus Albrecht Schröder: Keine Ahnung. Und nicht zuletzt deswegen keine Ahnung,
weil natürlich fraglich ist: Was ist denn jetzt ein zeitgenössische Künstler?
Ich glaube, die Urheberrechtsgesellschaften sagen, dass wir 12.000 eingetragene
Künstler haben, die dementsprechend Sozialversicherungsansprüche geltend machen
können. Dieser Durchschnittswert ist für mich nicht sonderlich relevant. Kenne
ich einige Künstlerinnen, die so um die 38 – 45 Jahre alt sind? Ja. Weiß ich
wie die leben? Ja. (Pause) Hart. Verdammt hart.
die kumpaninnen: Können
wir Sie mit unserem ganzen Charme als Gruppe zu einer Zahlen-Schätzung bewegen?
Klaus Albrecht Schröder: Nein. Aber ich glaube, Sie haben verstanden warum. Weil Sie
mich jetzt nicht gefragt haben, was die Michela Ghisetti hat und was ihr
bleiben wird mit ihren zwei Mädchen als alleinerziehende Künstlerin. Oder was
eine Ina Loitzl hätte, wenn sie nicht mit einem Mann verheiratet wäre und von
ihrer Kunst alleine leben müsste. Ich habe Ihre Frage nicht beantwortet, weil
Sie mir nicht gesagt haben, welche Künstlerinnen Sie meinen. Wenn sie die
meinen, die die Urheberrechtsgesellschaft als sozialversicherungspflichtig
ansieht, dann sind das in Österreich 12.000. Ich möchte mich nicht über 12.000
Menschen unterhalten. Ich glaube nicht, dass es klug ist, dass wir 12.000
Menschen als Künstler verwalten. Aber ich kenne alle möglichen Künstler,
Gruppen, die mich auch manchmal fragen, ob ich nicht bereit bin ein paar Worte
zu sagen. Das tue ich dann auch gerne. Das ist ein unglaublich harter Prozess
heute. Viele verdienen so schnell so viel Geld wie keiner der heute 60- bis
80-Jährigen es jahrzehntelang getan hat. Wissen Sie, wie schlecht es einem
Rainer gegangen ist? Viele verdienen gar nichts und das bis ans Ende ihrer
Tage.
die kumpaninnen: Wir haben wir
von Ihrer Pressabteilung erfahren, dass die Albertina prinzipiell keine
Ausstellungshonorare an lebende Künstler und Künstlerinnen zahlt. In dem
Zusammenhang...
Klaus Albrecht Schröder: Das ist nicht richtig. Da würde ich wollen, dass Sie den
Direktor fragen und nicht die Presseabteilung.
die kumpaninnen: Dann
bitten wir um die korrekte Antwort. Zahlt die Albertina Ausstellungshonorare?
Klaus Albrecht Schröder: Nein. Darum hat die Presseabteilung wahrscheinlich auch
diese Antwort gegeben. Diese Frage hat sich noch nie gestellt. Aber Sie haben
ja gefragt „prinzipiell“. Nein, das muss ich dezidiert zurückweisen.
Prinzipiell tun wir das natürlich keineswegs nicht. Ganz im Gegenteil. Wir
werden demnächst eine Installation von Markus Hofer zeigen. Wir kaufen nichts,
wir besitzen nichts. Er hat, um die Interventionen in der Albertina und vor der
Albertina anzubringen, eindeutig einen Aufwand. Das muss man eigentlich
abgelten. Und ich habe sofort gefragt, was wir dafür an Honorar zahlen müssen.
Wenn wir einen Erwin Wurm mit seiner neusten Produktion zeigen, dann zahlen wir
selbstverständlich nichts. Wir zeigen die William Kentridge Retrospektive. Hat
der William etwas bekommen? Nein, der hat nichts bekommen. Müssten wir ein
Honorar zumindest anbieten? Was ist, wenn er dann sagt, er will das nicht: Er
findet das großartig, er möchte das machen. Na, totschlagen tue ich ihn nicht,
wenn er nichts haben möchte.
die kumpaninnen: Es ist
sehr interessant, den Unterschied von Ihnen erläutert zu bekommen.
Klaus Albrecht Schröder: Wenn ich jemanden bitte, eine künstlerische Intervention
vorzunehmen - die er dann nicht einmal gebrauchen kann, die uns bereichert, die
hoffentlich den Besucher intellektuell, ästhetisch, emotional bereichert - ja,
dann kostet das etwas. Wir zahlen ja auch den Ausstellungsarchitekten und wir
zahlen den Katalog. Da stehe ich auch dafür gerade: So etwas muss entgolten
werden.
Die Sekretärin betritt das Büro.
Klaus Albrecht Schröder: Ich fürchte ich muss…
die kumpaninnen: Noch
drei kurze Fragen bitte. Im vergangenen
Juli haben Sie gesagt, dass die Arbeit in der Albertina für Sie Beruf,
Leidenschaft und Privileg ist. Angenommen das Budget der Albertina würde so
drastisch gekürzt werden, würden Sie dann von 5 Vertragsjahren angenommen eines
gratis arbeiten (Anmerkung 3)?
Klaus Albrecht Schröder: Die Frage stellt sich nicht. Im Augenblick stellt sich
die Frage,
wie ich die Albertina auch in schwierigen Zeiten so
aufstellen kann, dass wir 300 Mitarbeiter bleiben können, dass ich die
Mitarbeiter ordentlich bezahlen kann, dass wir die Ausstellungen realisieren
können, die uns vorschweben. Das ist wirklich wichtiger als mein Gehalt.
die kumpaninnen: Das heißt, Sie würden verzichten, im Fall des Falles?
Klaus Albrecht Schröder: Ich glaube, das Dasein der Albertina ist im Augenblick
das wichtigste. Sie ist überhaupt nicht gefährdet. Die Frage stellt sich nicht.
die kumpaninnen: Unsere letzte
Frage: Als Kulturschaffende/r investiert man oft einen recht großen Teil vom
eigenen Gehalt in die eigene künstlerische Arbeit. Man finanziert mit großem
Risiko vor. Investieren Sie Teile von Ihrem Gehalt in die Albertina?
Klaus Albrecht Schröder: In die Albertina?
die kumpaninnen: Ja.
Klaus Albrecht Schröder: Nein. Mein Gehalt?
die kumpaninnen: Ja. Bei
uns ist es durchaus üblich, dass wir Teile unseres Gehaltes in unsere Arbeit
investieren.
Klaus Albrecht Schröder: Ja, aber ich glaube kein Fleischhauer macht das, kein
Schaffner macht das, kein Minister macht das und kein Lehrer macht das. Der
Lehrer nimmt sein Gehalt und investiert es nicht wieder in die Schule in der er
unterrichtet. Auch wenn der Turnsaal in einem deplorablen Zustand ist. Wenn die
Albertina in einem deplorablen Zustand ist und 1 Million Euro an Sponsormittel
braucht, dann investiere ich nicht 2.000 Euro von mir. Die würden uns da nicht
helfen. Ich würde vielmehr schauen, dass wir 1 Million Euro auftreiben. Da
hilft mir keine kitschige Lösung, sondern eine nur eine gute.
die kumpaninnen: Aber Sie
investieren als Privatmann schon in zeitgenössische österreichische Kunst?
Klaus Albrecht Schröder: Ich kaufe, ich sammle.
die kumpaninnen: Was ist Ihr
Schwerpunkt in Ihrer privaten Sammlung?
Klaus Albrecht Schröder: Große Zeichnungen, zeitgenössische Kunst und Skulptur aus
dem 16. bis ins 20. Jahrhundert, von oberitalienischer
Skulptur bis zu Arbeiten von Esther Stocker.
die kumpaninnen: Herzlichen
Dank für das Gespräch. Wir haben jetzt noch ein kleines Geschenk für die
Albertina...
die
kumpaninnen bedanken sich herzlich bei der Albertina für die freundliche
Kooperation. Unser besonderer Dank gilt Direktor Klaus Albrecht Schröder für
seine Zeit und Offenheit, sowie Pressesprecherin Sarah Wuhlbrandt für ihre
Unterstützung unserer Recherche. Ein besonderes Dankeschön geht an unsere
Fotografin Marisa Vranjes, die unsere Aktion mit Begeisterung begleitet und
abgebildet hat.
Anmerkung 1: In Österreich gilt das
Folgerecht vom 1.1.2006 geregelt im Urheberrechtsgesetz §16b. Hier wird der
Anspruch auf die Folgerechtsvergütung für die Weiterveräußerung des Originalwerks
nach der ersten Veräußerung durch den Urheber/die Urheberin festgelegt. Dabei
gelten je nach Verkaufssumme unterschiedliche Sätze. So besteht beispielsweise
ein Anspruch von 4 % des Verkaufpreises (ohne Steuern) von den ersten 50.000,-
EUR. Allerdings gilt diese Regelung erst ab einem Verkaufspreis von 2.500,-
EUR. Zudem muss ein Vertreter/ eine Vertreterin des Kunstmarktes, wie Galerie,
Kunsthändler_In oder Auktionshaus an dem Verkauf beteiligt sein - sei es als
Verkäufer_In, Käufer_In oder Vermittler_In. Der Anspruch auf
Folgerechtsvergütung kann auch durch Verwertungsgesellschaften geltend gemacht
werden. In Österreich macht das die Verwertungsgesellschaft Bildende Kunst,
Fotografie und Choreografie GmbH (kurz VBK) für ihre Mitglieder. Für diese Arbeit
berechnet die VBK einen Spesensatz von 10% der Folgerechtsvergütung. Der Rest
geht direkt an den Urheber/die Urheberin des Kunstwerkes.
Anmerkung
2: In einer Erhebung im Auftrag des
bmukk aus dem Jahr 2008 „Zur sozialen Lage von Künstlern in Österreich“ wird
der durchschnittliche Jahresgewinn von Bildenden Künstler_Innen mit 8.500 Euro
angegeben, wobei der Zentralwert der Umfrage bei 5.800 Euro liegt. Neuere
Zahlen liegen laut telefonischer Auskunft der IG Bildende Kunst, IG Kultur,
KünstlerInnensozialversicherungsfonds und Sozialversicherungsanstalt für
gewerbliche Wirtschaft nicht vor.
Anmerkung
3: Laut Rechnungshofbericht 2011/1
verdiente Klaus Albrecht Schröder 275.500 Euro brutto im Jahr. Das sind laut
AK-Brutto-Netto-Rechner ca. 10.300 Euro netto im Monat. Ein
Vergleichswert: Der österreichische Bundeskanzler verdient 285.000 Euro brutto
im Jahr.